Wer sich für den Verkauf seines Unternehmens entschieden hat, wünscht sich eine Nachfolge und einen baldigen Ausstieg. Doch die Praxis zeigt: Einen neuen Geschäftsführer für einen Onlineshop oder ein E-Commerce-Unternehmen zu finden und erfolgreich zu positionieren, ist eine echte Herausforderung. Etliche Verkäufer unterschätzen dies – um den Preis, dass ein möglicher Deal kurz vor Schluss noch platzt oder sie den neuen Besitzern länger zur Verfügung stehen müssen, als ihnen lieb ist.
Nach einem Verkauf soll sich Onlineshop oder jedes andere Unternehmen möglichst nahtlos weiter entwickeln – früher oder später unter einer neuen Geschäftsführung. „Eine One-fits-all-Lösung gibt es allerdings nicht. Je nach Käufer ergeben sich verschiedene Szenarien: für den Kauf durch eine Privatperson, einen Strategen oder einen Finanzinvestor.“
In diesem Artikel erfahren Sie, wie sich der Managementwechsel aus der Sicht des Verkäufers gestaltet und wie Sie sich bestmöglich darauf vorbereiten.
1) Ein Privatinvestor erwirbt das E-Commerce-Unternehmen für sich
Wer einen, meist kleineren, Onlineshop für sich selbst erwirbt, will ihn auch führen. Wir denken dabei gewöhnlich an eine Umsatzklasse von bis zu 2,5 Millionen Euro. Natürlich bringen nicht alle Einsteiger Branchenkenntnisse mit. Andere kennen sich schon aus, weil sie in dem Feld gearbeitet haben, besitzen aber keine E-Commerce-Erfahrung. Unsere Empfehlung: Wenigstens das eine, die Affinität zum Thema oder die Internetkompetenz, sollten vorhanden sein, damit der private Übernehmer auf Dauer reüssiert.
In der Regel wird der Verkäufer dem „Neuen“ für eine Übergangszeit zur Seite sitzen – das heißt am Anfang physisch, Schreibtisch an Schreibtisch, und später als Berater. Es geht darum, das in der Person des Verkäufers vorhandene Wissen und die Erfahrung vieler Jahre effizient und möglichst vollständig auf den Käufer zu übertragen. So kann man Fehlentscheidungen in der Anfangsphase vermeiden.
Im Kaufvertrag wird meist festgelegt, wie die Unterstützung des Käufers durch den Verkäufer bei der Übernahme des Onlineshops aussehen soll und wie viel davon bereits mit dem Kaufpreis abgegolten ist. Typisches Beispiel: Der Verkäufer verpflichtet sich, für einige Wochen mit dem Käufer das Büro zu teilen, um ihn in das Tagesgeschäft einzuarbeiten. Auch führt er ihn bei den Lieferanten, Dienstleistern und Mitarbeitern wohlwollend ein. Für die anschließende Phase von oft drei bis sechs Monaten werden ein Stundenbudget und ein Modus definiert, wie der Verkäufer dem Käufer noch per Mail, Telefon oder Videomeeting beratend oder unterstützend zur Seite stehen soll. Weitere Hilfeleistungen des Verkäufers können dann in einem Beratervertrag geregelt werden.
Nach unserer Erfahrung überschätzt der Käufer die Dauer der Einarbeitungsphase im Vorfeld gerne. Am Anfang ist die Unsicherheit groß und es werden oft mehr Begleitstunden vereinbart, als letztendlich gebraucht werden. Die ersten Wochen nach der Übernahme sind für beide Parteien sehr intensiv. Häufig stellt sich aber schon bald ein Gefühl der Sicherheit ein, so dass der Käufer und neue Geschäftsführer den Onlineshop, von gelegentlichen Rückfragen abgesehen, eigenständig leiten kann.
2) Ein strategischer Investor übernimmt das E-Commerce-Unternehmen
Bei einem Unternehmensverkauf interessieren sich auch Investoren aus angrenzenden Branchen dafür. Ihnen geht es oft darum, zu diversifizieren oder ihr angestammtes Geschäft um einen Onlineshop zu erweitern und dabei idealerweise von Synergien zu profitieren. Der strategische Investor möchte wachsen, am liebsten in einem Feld, das er schon etwas kennt. Daher ist es wahrscheinlich, daß er eher kurz- als mittelfristig einen Geschäftsführer aus den eigenen Reihen platziert. Auch hier bleibt der der Verkäufer zunächst für eine Übergangszeit physisch im Haus, um das Tagesgeschäft geregelt zu übergeben. Die Dauer dieser Phase kann bei dieser Konstellation von mehreren Wochen bis zu mehreren Monaten reichen.
Daran schließt sich eine Beratungsphase an, in der der Verkäufer für gelegentliche Meetings und für auftauchende Probleme oder Fragen bei der Führung des Onlineshops zur Verfügung steht. Auch wenn der Käufer auf eine lange Unterstützungs- und Beratungsphase von bis zu zwölf Monaten besteht, so wird der Verkäufer bei der Übernahme durch einen Strategen in der Regel eher weniger stark in Anspruch genommen. Schließlich bringt der durch den Käufer eingesetzte Geschäftsführer meist selbst viel wichtiges Wissen über Branche und Markt mit.
3) Ein Finanzinvestor kauft das Unternehmen
Wenn eine Private-Equity-Company oder ein anderer Finanzinvestor eine E-Commerce-Firma oder einen Onlineshop übernimmt, bringt dieser zwar meistens große betriebswirtschaftliche Expertise mit, hat aber normalerweise keinen Geschäftsführer mit E-Commerce-Erfahrung zur Hand. Der Gedanke, ihm einen Kandidaten aus dem zu verkaufenden Unternehmen vorzuschlagen, hat zwar großen Charme, trägt aber selten. Insbesondere in KMUs ist es schwierig, eine solche Unternehmerpersönlichkeit unter den Mitarbeitern zu entdecken.
Der Finanzinvestor muss also extern einen neuen Geschäftsführer für den Onlineshop finden und im E-Commerce-Unternehmen installieren. Keine einfache Aufgabe. Der Käufer fordert deshalb meist vom Alt-Geschäftsführer, so lange im Amt zu bleiben, bis der neue Geschäftsführer nach einer ausgiebigen Einlernphase übernimmt. Das kann bis zu zwölf Monate, manchmal noch länger dauern, und ist oft für beide Seiten sehr fordernd.
Fazit
Der Verkäufer ist bei einem Firmenverkauf weder nach Unterschrift des Kaufvertrages noch nach der Übernahme durch den Käufer ganz raus aus seinem Onlineshop oder E-Commerce-Unternehmen. Der Übergang der Geschäftsführungsfunktion ist einer der kritischsten Momente in der gesamten Transaktion. Jeder Käufer wird hier ein großes Maß an Verständnis und konkreter Unterstützung vom Verkäufer erwarten, denn er ist darauf angewiesen.
Egal, um welchen Käufertyp es sich handelt, und wie groß das Transaktionsvolumen ist: An die Übergabe des Unternehmens schließt sich immer eine anfangs intensive Phase der Zusammenarbeit zwischen altem und neuem Geschäftsführer an. Bei kleineren Unternehmen endet sie nach drei bis sechs, bei größeren nach sechs bis zwölf Monaten. Der Käufer wird darauf drängen, konkrete Regelungen zum Engagement des Alt-Geschäftsführers in den Kaufvertrag aufzunehmen und über den Kaufpreis abzugelten.
Was kann der Verkäufer also tun, um die Übergabe der Geschäftsführung beim Unternehmensverkauf schon im Vorfeld der Transaktion möglichst reibungslos und erfolgreich zu gestalten?
Salopp gesagt, macht er sich bereits in der Vorbereitungsphase des Firmenverkaufs soweit wie möglich überflüssig. Die Firma sollte lernen, ohne den Gründer und scheidenden Geschäftsführer auszukommen, zumindest im Tagesgeschäft. Dabei ist entscheidend, dass die leitenden Mitarbeiter handlungsfähig und kompetent genug sind, um wirklich Verantwortung in ihrem Bereich zu übernehmen.
Ein vom Verkäufer erstelltes Stellenprofil kann den Mitarbeitern dabei helfen, den neuen „Chef“ bestmöglich in dieser auch für ihn schwierigen Situation zu unterstützen. Das mag selbstverständlich klingen, ist es aber nicht, da sich viele Firmenchefs über die Jahre in eine Situation manövriert haben, in der sie auch kleine Entscheidungen bei sich absegnen lassen.
Wie man es dreht und wendet: Der Firmenverkauf auch bei Onlineshops und E-Commerce-Unternehmen ist auch bei der Nachfolge der Geschäftsführung einen komplexe Angelegenheit. Die lange Kreuzfahrt, Auswanderung oder sogar den Aufbau eines neuen Unternehmens sollte der Verkäufer erst für die Zeit nach der Geschäftsführer-Einarbeitung planen.